Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

24 Jahre in den besten Händen

Es ist das wohl eindrucksvollste Messinstrument am Geodätischen Observatorium Wettzell: Das große Radioteleskop. Mit einem Durchmesser von 20 Metern ist die Schüssel auch aus der Ferne sichtbar. Seit 1983 gehört das Radioteleskop zum Inventar und war stets in guten Händen. Richard Kilger hegte und pflegte das Radioteleskop Wettzell (RTW) und sorgte bis zu seiner Pensionierung 2007 auch für die Intstandhaltung und Weiterentwicklung. In diesem Interview plaudert er mit unserer Kollegin Eva Schroth über seine Arbeit am RTW.

Herr Kilger, das Geodätische Observatorium Wettzell ist wirklich ein ungewöhnlicher Arbeitsplatz und für ein solches Projekt, wie den Bau des RTW verantwortlich zu sein, sicherlich einmalig. Wie sind Sie dort hingekommen?

Der Prof. Schneider von der TU München hat für seine Wohnung gerne so handwerkliche Kunstsachen gekauft. In Viechtach, wo ich gewohnt habe, war ein Laden. Dort hat er sich unterhalten und erzählt, dass sie einen Ingenieur bräuchten für ein Teleskop. Das muss 1979 gewesen sein. Und meine Frau hat gesagt, dort bewirbst Du Dich.

Ach so, Ihre Frau hatte das mitbekommen?

Ja, die hat das mitgekriegt und gesagt da bewirbst Du Dich. Ich habe zu ihr gesagt: „Ja, ja. Werden wir sehen“, aber gedacht habe ich: ‚Die werden da doch nie einen, der von Geodäsie keine Ahnung hat, brauchen können. Aber anscheinend waren die anderen noch schlechter als ich und dann haben sie mich genommen.

Wo haben Sie vorher gearbeitet?

Ich war in der Deggendorfer Werft und habe z.B. Reaktoren für BASF gebaut bzw. montiert. Im Nachhinein betrachtet war das auch eine wichtige Arbeit für mich, aber das Teleskop war wichtiger. Das war mein Leben.

Was war denn Ihr positivstes oder negativstes Erlebnis im Leben mit dem RTW?

Nun, ich hatte auf jeden Fall ein spannendes Erlebnis: Ich habe immer allen erklärt, dass man mit dem Teleskop achtgeben muss, wenn man in der Schüssel drin ist. Und ich selber, habe mir immer schon überlegt: Was tust Du, wenn Du in der Schüssel drin bist und die Durchstiegsluke, die mit zwei Bändern gehalten wurde, fällt zu. Dann ist das nämlich so, dass man die nicht ohne weiteres aufkriegt - das geht manchmal ganz schnell und manchmal, wenn man nervös ist, dauert das viel länger. Also habe ich mir geschworen, wenn sowas passiert, dann versuche ich nicht die Tür wieder auf zu machen, sondern ich gehe in Richtung Feedhorn und setzt mich wie ein Reiter auf das Feedhorn drauf (Anm. d. Red. Das Feedhorn ist die zylindrische Antenne in der Mitte der Schlüssel). Das ist dann auch einmal passiert. Ich bin im Reflektor gewesen. Ich wollte irgendwas machen und der Wind haut die Luke zu. Ich hab´ nur ganz kurz überlegt, was tust Du jetzt und dann habe ich gemacht, was ich mir immer vorgenommen habe.

Und was haben Sie sich vorgenommen?

Ich habe mich aufs Feedhorn draufgesetzt und dann fing die Schüssel auch schon an sich zu bewegen. Das hat natürlich erstmal niemand bemerkt. Für mein Gefühl hat das relativ lange gedauert, aber irgendwann ist der Rainer Dassing dann dort vorbeigegangen und hat mich gesehen. Der hat sich nicht mal raufschauen getraut! Ist ja nix gefährliches gewesen, ich bin halt da oben gesessen und hab´ gewartet bis jemand das bemerkt. Eigentlich hab ich’s ganz gemütlich gehabt. Aber ich hab´ gemerkt, der hat mich gesehen und dann ist er weitergegangen, dann hat er wieder geschaut. Und dann bin ich erlöst worden.

Was hat der Rainer Dassing unternommen?

Der ist dann ins Bürogebäude rein gegangen. Und das war damals nicht so wie heute, da waren vielen Leute da und der Rainer Dassing hat gesagt, der Kilger sitzt da oben. Ich bin auch nicht lang oben gesessen. Das ist dann sofort behoben worden. Ich konnte also in Ruhe den Deckel auf machen und wieder runter steigen.

Wieso hat sich das das Teleskop überhaupt bewegt? Das waren doch Wartungsarbeiten.

Ich hab´ sogar vorher davon geredet, was man alles nicht machen darf usw. und Fakt war: Ich bin raufgegangen, nachdem ich geredet hatte, hab die Tür aufgemacht, hab angefangen zu arbeiten und der Wind macht’s zu und im selben Augenblick fängt’s schon an zu laufen das Teleskop. Da war keine Sekunde dazwischen. Vielleicht war der Befehl schon davor eingegeben und der war noch aktiv und wie die Tür zu gefallen ist, ist das ausgeführt worden.

Die Tür hat den Befehl also blockiert?

Wenn ich die Tür wieder aufgebracht hätte, wäre das alles vorbei gewesen. Aber das habe ich überhaupt nicht versucht. Die Tür hat ja nur einen drei Millimeter Spalt und sollte ja eigentlich gar keinen haben. Sie erfüllt ganz enge Toleranzen und daher dachte ich, wenn ich nervös bin, mach ich das nicht. Inzwischen ist das ja ganz anders gelöst und es ist ausgeschlossen, dass das Teleskop von selbst losfährt, wenn jemand darin arbeitet.

Manchmal ärgern wir uns ja über neue Sicherheitsstandards, weil sie uns umständlich erscheinen, aber an diesem Beispiel sieht man wie sinnvoll sie sind. Auf jeden Fall haben Sie in dieser Situation sehr gut reagiert. Vielen Dank für das interessante Gespräch.

*2007 war es noch nicht vorgeschrieben, dass man bei der Besteigung der Radioteleskope einen Helm und Sicherheitsschuhe tragen muss. Das kam erst später.