Nicht nur Text – Kontext!
Wie Geo-KI Informationslücken in der Verwaltung schließt
Das 2. Forum GEO.KI fand vom 2. bis 3. April 2025 in Frankfurt am Main statt und wurde vom BKG und dem KI-Lab am Umweltbundesamt organisiert.
Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde – spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT hat sich ein enormes Interesse an den Möglichkeiten sprachbasierter KI entwickelt. Ob bei der automatisierten Texterstellung, im Bürgerdialog oder bei der Bearbeitung von Anträgen: Die Einsatzszenarien gerade in der Verwaltung sind vielfältig und versprechen deutliche Effizienzgewinne.
Doch KI kann mehr als Sprache. Ein weniger beachtetes, aber hochrelevantes Anwendungsfeld liegt in der intelligenten Analyse raumbezogener Daten – der sogenannten Geo-KI. Gerade für die Verwaltung, die täglich mit räumlichen Fragestellungen befasst ist, eröffnet Geo-KI enormes Potenzial. Sie erschließt Informationen aus großen Datenmengen, macht Zusammenhänge sichtbar und schafft Entscheidungsgrundlagen. Während Sprach-KI „spricht“, liefert Geo-KI den Kontext – und damit häufig die Basis für vorausschauendes Handeln.
Aktuelle Geodaten für die Energiewende
„Bis zum Jahr 2030 wollen wir in Deutschland 80 Prozent unseres Stroms aus nachhaltigen Energiequellen gewinnen“, sagt Prof. Dr. Lilian Busse, Vizepräsidentin des Umweltbundesamts. „Ein wichtiger Teil davon ist die Windkraft an Land. Sie soll bis 2030 rund 115 Gigawatt liefern. Dazu müssen jedes Jahr 10 Gigawatt neu dazukommen!“
Um solche Vorhaben umzusetzen, sind genaue Angaben zu bestehenden Windenergieanlagen (WEA) unerlässlich, um den Ausbau fundiert planen zu können. Eine wesentliche Information ist deren geographische Lage. Das klingt trivial, allerdings beruhen die Daten dazu im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur auf Nutzereingaben und sind entsprechend fehlerbehaftet. Überprüfungen haben gezeigt, dass manche Anlagen mehrere hundert Meter falsch platziert sind oder sogar außerhalb des Bundesgebietes liegen.
Effiziente Informationsgewinnung mit Geo-KI
Alle Standorte von Hand zu kontrollieren wäre zu aufwändig. Luft- und Satellitenbilder ersparen den Weg ins Gelände, aber auch ein manueller Kartierungsprozess ist sehr ressourcenintensiv. Hier kommt die KI ins Spiel: Im genannten Fall hat das Anwendungslabor für Künstliche Intelligenz und Big Data am Umweltbundesamt (KI-Labor am UBA) ein Modell trainiert, das WEA deutschlandweit mit einer Genauigkeit von 97,5 Prozent findet und lokalisiert. Das spart Zeit, erhöht die Datenqualität und ermöglicht regelmäßige Updates – eine wichtige Voraussetzung für Planung und Monitoring.
Der Nutzen solcher Verfahren geht weit über Windkraft hinaus: Wo hat sich die Waldstruktur verändert? Wie ist die Auslastung von Parkplätzen? Wie viele Gebäude sind nach einem Hochwasser beschädigt? Zu vielen Themen liegen keine aktuellen und vollständigen Informationen vor. Geo-KI kann solche Informationslücken schließen – u.a. mithilfe automatisierter Auswertungen von Erdbeobachtungsdaten.
„Geo-KI wird oft zur Auswertung von Fernerkundungsdaten eingesetzt, umfasst aber grundsätzlich alle KI-Verfahren zur Auswertung von Geodaten“, sagt Prof. Dr. Paul Becker, Präsident des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (BKG).
Zurück zum Thema WEA: Die Standorte der Anlagen sind nicht nur energiepolitisch relevant. So hat die Deutsche Flugsicherung den Auftrag, Flughindernisse zu erfassen. Dazu zählen u.a. WEA, Strommasten, hohe Vegetation oder Gebäude. Relevante Parameter wie die maximale Höhe oder - im Falle der WEA - Rotordurchmesser und Nabenhöhe zur Berechnung der maximalen Ausdehnung lassen sich aus 2D-Bilddaten nicht verlässlich ermitteln. Hierfür braucht es 3D-Daten, wie sie das BKG im Projekt „Digitaler Zwilling Deutschland“ mit flächendeckenden Laserscanning-Befliegungen erhebt. Die entstehenden 3D-Punktwolken werden mithilfe spezialisierter Geo-KI automatisiert ausgewertet, relevante Objekte werden identifiziert, lokalisiert und charakterisiert.
Das 2. Forum GEO.KI stieß auf großes Interesse
Forum GEO.KI – Austausch fördern
Um Geo-KI-Akteure aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft besser zu vernetzen, haben BKG und KI-Labor am UBA eine Veranstaltungsreihe gestartet. Nach einem Workshop im Mai 2024 fand am 2. und 3. April 2025 das zweite „Forum GEO.KI“ statt – mit neuem Namen und deutlich mehr Teilnehmenden. Über 140 Expertinnen und Experten von mehr als 70 Institutionen waren dabei – Behörden, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Gezeigt wurden forschungsnahe Entwicklungen, aber auch praktische Anwendungen. Auch Voraussetzungen für die Implementierung sowie Aspekte vertrauenswürdiger Geo-KI wurden intensiv diskutiert.
Verfügbarkeit und Qualität der Daten sind entscheidend
Die im Forum vorgestellten Beispiele zeigen: Für den Erfolg von Geo-KI sind aktuelle und qualitativ hochwertige Geodaten unverzichtbar. „Höhere Datenqualität und -quantität führen zu besseren Lösungen“, betont Prof. Dr. Becker. Das gilt auch für abgeleitete Datensätze, etwa zu bestimmten Objekten oder der Landnutzung. Die Datenerhebung ist jedoch oft kostenintensiv – umso wichtiger ist es, vorhandene Daten optimal zu nutzen und über institutionelle Grenzen hinweg auszutauschen.
Doch der Datenaustausch stockt oft – technische, organisatorische und rechtliche Hürden bremsen das Potenzial. Ein besserer Informationsfluss zwischen Institutionen – horizontal (z.B. zwischen Ministerien) und vertikal (zwischen Bund, Ländern und Kommunen) – ist entscheidend. Auch Forschungseinrichtungen sollten aktiv eingebunden werden.
„Wenn Wissen, Daten und Modelle freier fließen, können viele Prozesse verbessert werden – selbst bei knappen Ressourcen“, so Prof. Dr. Busse. Besonders in Bereichen wie Planungsbeschleunigung, Maßnahmenumsetzung oder Politikberatung sind verlässliche und aktuelle Daten entscheidend.
Am Ende braucht es einen gemeinsamen Rahmen, der den Datenaustausch und die Nutzung vorhandener Daten erleichtert. Nur so lässt sich ihr volles Potenzial ausschöpfen und den Weg für neue, innovative Lösungen ebnen.
Geo-KI gewinnt an Bedeutung
Geo-KI ist ein wichtiger Bestandteil einer umfassenden KI-Strategie zur Modernisierung der Verwaltung. Der Bedarf an aktuellen, flächendeckenden und hochwertigen Geodaten ist stark gestiegen. Geo-KI kann bei der Gewinnung dieser Daten unterstützen und diese in entscheidungsrelevante Informationen überführen. Ihre strategische Integration sollte daher als Schlüsselfaktor für eine zukunftsorientierte Verwaltung verstanden werden.
Hendrik Wagenseil1 und Stephan Klingner2
1Taskforce Künstliche Intelligenz am BKG
2Anwendungslabor für künstliche Intelligenz und Big Data am Umweltbundesamt
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