Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

Kein Kinderspiel - Die praktische Umsetzung der Befliegung für den "Digitalen Zwilling Deutschland"

Eine geplante Befliegung für den Digitalen Zwilling scheitert am Wetter – dennoch liefert der Besuch am Flugplatz Koblenz-Winningen spannende Einblicke in Technik und Ablauf.

​Kleine Nebelfelder schweben sacht über die Wiesen, die sich entlang der Autobahn A3 in Richtung Köln befinden. Die Sonne leuchtet in Rot und Orange am noch dunklen, wolkenfreien Morgenhimmel. Es ist ruhig auf der Autobahn. Beinahe idyllisch. Nur vereinzelnd passieren wir andere Wagen in Richtung Norden. Kurz kommt in mir der Gedanke auf: „Warum bin ich nicht viel häufiger an einem Sonntagmorgen um halb sechs unterwegs?“ Doch wenn ich einen Blick in die leicht verschlafenen Augen meines Kollegen Christoph werfe, wird mir schnell klar, dass mich heute früh nur ein doppelter Espresso in Schwung gebracht hat.

Wir sind auf dem Weg zum Flugplatz Koblenz-Winningen. Hier treffen wir uns mit dem Team der Firma Hexagon, die ein Los für die Befliegung zum Digitalen Zwilling erhalten hat. Mit Angel, dem aus Madrid stammenden Luftbildvermesser, hatte ich mich noch im Verlauf des Freitagvormittags ausgetauscht. „Am Sonntagmorgen sieht es aktuell sehr gut aus. Da kommen uns frühestens gegen zwölf Uhr mittags Wolken in die Quere“, sagte er und beharrte auf dem frühen Abflugtermin am Sonntag. „Wir planen von sieben bis elf Uhr in der Luft zu sein. Wir treffen uns um halb sieben, damit wir pünktlich loskommen“.

Foto zeigt den vorderen Teil eines zweimotoriges Propellerflugzeugs. Der Himmel ist wolkenlos. Unter dem Flugzeug liegt ein Mann auf dem Rücken, der eine Fotokamera in der Hand hält. Christoph auf der Suche nach dem perfekten Bild

Ja, wir wollten gerne mit auf eine Befliegung und dabei Foto- und Videoaufnahmen machen. Aber die frühe Abfahrtszeit behagte uns weniger. Zumal uns Angel trotz seiner optimistischen Aussage nicht garantieren konnte, dass der Flug stattfinden würde. Am Sonntagmorgen lotst uns das Navigationsgerät in die entlegenste Ecke von Koblenz. Hinweisschilder am Straßenrand geben uns die Gewissheit, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Während wir durch die grüne Landschaft gondeln, scheuchen wir hinter jeder Kurve Vogelschwärme auf oder sehen davonhoppelnde Hasen.

Am Flugplatz begrüßen uns Angel, Ingenieur und Luftbildvermesser von Hexagon, sowie Hartmut, der gebuchte Vermessungspilot. „Hexagon mietet ein geeignetes Flugzeug mit Piloten und stellt die Technik samt Mitarbeiter zur Verfügung“, erklärt uns Hartmut, nachdem er in unsere fragenden Gesichter schaut. Ein Anblick, der an diesem Sonntagmorgen noch zu vielen weiteren Erklärungen führt.

Zuerst laufen wir über die Startbahn zum Flugzeug. Es handelt sich um eine Cessna 340, ein zweimotoriges Kleinflugzeug, das bis zu acht Stunden in der Luft bleiben kann. Neugierig umkreisen Christoph und ich die Maschine und machen von jedem kleinsten Detail möglichst viele Aufnahmen. Gelöscht wird später. Angel zeigt uns das Loch am Bauch des Flugzeuges, in dem die Kamera und verschiedene Objektive hängen. Jetzt ist voller Körpereinsatz gefragt und Christoph krabbelt unter den Flieger, um das perfekte Foto von den technischen Komponenten zu knipsen.

Alles startklar – nur das Wetter spielt nicht mit

Ich beobachte währenddessen Hartmut und Angel, die die letzten Vorbereitungen treffen. Unser Pilot umkreist sein Flugzeug und checkt die Propeller, die Reifen und die Tragflächen. Angel hingegen checkt sein Smartphone. Genau gesagt, die Wetter-App. Er sieht nicht glücklich dabei aus. Seine Stirn ist in Falten gelegt und der Mund verkniffen. Er wiegt den Kopf hin und her, schaut gen Himmel, fixiert die Wetter-App und startet die Diskussion mit Hartmut.

Auch wir sehen erste Wolkenfelder über unsere Köpfe hinwegziehen und ahnen es schon: Heute wird das nichts mit der Befliegung. Doch noch ist keine Entscheidung getroffen. Stattdessen sehen wir dem Maintenance-Mitarbeiter des Flugplatzes dabei zu, wie er langsam mit dem Fahrzeug die Start- und Landebahn abfährt. Wer weiß schon, wer oder was sich während der Nacht auf dem Flugplatz rumgetrieben hat. Schilder weisen zwar daraufhin, dass „Unbefugten der Zutritt verboten ist“, doch der niedrige Zaun ist leicht zu überqueren. Auch der Flugplatzmitarbeiter musste heute früher als gewöhnlich aus den Federn. In der Regel beginnt der Betrieb sonntags in Koblenz-Winnigen erst um neun Uhr. Doch für unsere Befliegung hat er seinen Dienst zwei Stunden früher als geplant angetreten.

Wir warten weiterhin geduldig auf das „Go“ von Angel und Hartmut. Leider vergebens. Die angekündigten Wolken ziehen früher und schneller von Westen kommend auf uns zu. „Es lohnt sich nicht, in die Luft zu steigen. Für ein optimales Ergebnis braucht es einen wolkenfreien Himmel. Da sind die Aussichten in diesem Sommer eher schlecht“, teilt uns Angel zähneknirschend mit.

Pilot in Aktion

Doch anstatt alles in Ruhe wieder einzupacken, fängt bei Hartmut jetzt die Hektik an. Er greift zum Telefon und informiert reihum die Deutsche Flugsicherung in Langen, ebenso wie die Tower an den Flughäfen in Frankfurt, Köln und Düsseldorf, dass wir heute nicht fliegen.

„Unser Gebiet umfasst im Süden Mainz und geht nördlich bis nach Dortmund. Heute hatten wir geplant von Süden nach Norden zu fliegen und wären dabei den startenden und landenden Verkehrsmaschinen in die Quere gekommen. Die Piloten von Kleinflugzeugen und Passagiermaschine müssen sich dessen bewusst sein und aufeinander Acht geben“, erklärt Hartmut seinen Aktionismus. Für Vermessungsflüge steigt die Maschine auf eine Höhe zwischen 10.000 und 11.000 Fuß. Das sind circa 3.500 Meter.

Und was machen wir jetzt? „Wollen wir es morgen noch mal versuchen?“, fragt uns Angel, „um die gleiche Uhrzeit?“ Aber Christoph und ich sind uns einig: Das ist keine Option. Wir nutzen stattdessen die Zeit, um noch mehr Fotos zu machen, und lassen uns in aller Ruhe erklären, wie so ein Flug abgelaufen wäre.

Um uns zumindest die Technik, mit der die Aufnahmen realisiert werden, vorzuführen, muss der Motor des Flugzeugs laufen. Im Fall der Cessna 340 liegt die Technik nackt, d. h. sie wurde in keine Box verpackt, im Passagierbereich des Fliegers. Dadurch befinden sich in der Maschine nur noch drei Sitzplätze. Ich darf vorsichtig über die Technik steigen und mich seitlich auf den Co-Piloten Platz gleiten lassen.

Es ist ganz schön eng hier und ich bin ein bisschen erleichtert, dass die Befliegung nicht stattfindet. Im Falle einer Befliegung hätte ich zwischen drei und sechs Stunden auf dem Co-Piloten Sitz verbracht. Hier ist es nicht nur beengt, sondern auch ganz schön laut, als Hartmut den Motor anwirft. Auch gibt es keine Toilette an Bord und die Luft ist während des Fluges sehr trocken in der Maschine.

„Wir trinken nur so viel wie nötig“, erzählt mir Angel, „aber um konzentriert zu bleiben, muss man auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten. In manchen Kleinflugzeugen gibt es Toilettensitze. Die kennst du vielleicht aus dem Krankenhaus“, fragt er mich. „Kenne ich, musste sie aber bisher selber noch nicht testen“, denke ich mir und bin neugierig, wie sie das Toilettenproblem auf einem sechs Stunden Flug in der Cessna 340 lösen. Angel wirft einen bedeutungsvollen Blick auf eine Flasche. Ich verstehe.

Simulation eines Messflugs

Die Motoren dröhnen, die Propeller drehen sich und Christoph macht draußen eifrig Fotos. Währenddessen startet Angel die rund eine Million teure Technik. Dann verbindet er seinen Laptop mit dem Aufnahmegerät und kann die Bedingungen wie gleichbleibende Höhe sowie die Qualität der Aufnahmen kontrollieren. Über Kopfhörer steht er im permanenten Austausch mit dem Piloten. Für alle, die tiefer in die technische Materie eintauchen möchten, lohnt sich ein Blick auf die Internetseite der Firma Hexagon.

Inneres einer Pilotenkanzel in einem Kleinflugzeug. Darin sitzt ein Mann in Lederrjacke, der eine Landkarte in der Hand hält. Pilot Hartmut erläutert das Befliegungsgebiet.

Anhand eines kleinen Monitors, der vorne im Cockpit hängt, erklärt mir Hartmut, worauf es bei einem Vermessungsflug ankommt. „Geflogen wird in Bahnen. In der Regel schließen wir eine Bahn ab, bevor wir den Flug beenden. Aufgrund von schlechtem Wetter und starken Winden ist das nicht immer möglich. Es ist wichtig darauf zu achten, dass die Bahnen sich überschneiden. Das bedeutet, dass der Pilot nicht viel Spielraum bezüglich der Höhe oder der Geschwindigkeit hat. In der Höhe darf ich höchstens 30 Meter variieren. Sonst wird das nichts.“

Jede Menge Fotos und Infos im Gepäck

Mittlerweile hängen die Wolken in kleinen Grüppchen über Koblenz. Hartmut stoppt die Motoren und ich klettere wieder vorsichtig an der teuren Technik vorbei. Ich komme mir dabei vor wie ein Kunstdieb, der sich durch ein Lasersicherheitsnetz arbeitet. Bloß nichts berühren und womöglich Schäden verursachen.

Ich habe es mehr oder weniger elegant aus der Cessna herausgeschafft. Jetzt interessiert mich, was Angel und Hartmut nach einem anstrengenden sechsstündigen Messflug machen. Todmüde ins Bett fallen?

Hartmut lacht. „Also der Angel steigt aus, setzt sich direkt auf die Restaurantterrasse am Flugplatz und bestellt sich ein kühles Getränk“. Angel lacht und nickt. „Ich hingegen“, führt Hartmut aus, „fahre mit der Cessna zur Tankstelle, damit der Flieger beim nächsten Mal sofort einsatzbereit ist. Für die Befüllung des 700-Liter-Tanks benötige ich eine dreiviertel Stunde. Erst dann genehmige ich mir einen Drink auf der Terrasse.“

Im Anschluss fahren die beiden zurück ins Hotel. Denn weder Angel noch Hartmut kommen aus der Region. Angel ist für vier Wochen für die Befliegung in Koblenz, Hartmut für drei Wochen.

Ob Messflüge stattfinden, hängt auch vom Faktor Personal ab. Denn wenn das geeignete Personal nicht vor Ort ist oder krankheitsbedingt ausfällt, können geplante Flüge ebenfalls nicht stattfinden. Wenn der Pilot im Hotel ist, dann hat er endgültig Feierabend. Der Vermessungsingenieur muss dann noch die Daten des Tages auf einem Server bei Hexagon speichern. Pro Messflug können das bis zu zwei Terabyte Datenvolumen sein.

Mittlerweile ist es halb zehn am Vormittag. Auf dem Flugplatz ist tatsächlich schon eine Maschine abgehoben. Christoph und ich schauen ihr ein bisschen sehnsüchtig hinterher. Wir verabschieden uns von Angel und Hartmut, die gedanklich schon im Hotel am Frühstücksbuffet sitzen. Für die nächsten Tage wünschen wir ihnen mehr Glück bezüglich eines wolkenfreien Himmels und begeben uns auf den Heimweg ins Rhein-Main-Gebiet. Jetzt bei einem Sonnen-Wolken-Mix und mit jeder Menge Verkehr auf der Autobahn.

Christoph und ich sind uns einig: Die frühe Morgenstunde kann auch Vorteile habe, aber jeden Sonntag brauchen wir das nicht. Gelohnt hat sich unser Ausflug auf den Flugplatz nach Koblenz Winningen dennoch, da wir die Heimreise mit einer Fülle an Fotomaterial und Informationen antreten.